Eigenschaften von Dienstleistungen
Konstitutive Merkmale:
Die folgenden drei konstitutiven Merkmale helfen bei der Einschätzung, ob eine Leistung überwiegend eine Dienstleistung ist:
1. Ersteller bietet dauerhafte Leistungsbereitschaft an
Die Dienstleistung ist ein Angebot, auf das der Kunde regelmäßig zurückgreifen kann.
2. Integration des externen Faktors (Gleichzeitigkeit von Produktion und Konsum)
In den Leistungserstellungsprozess werden i.d.R. ein oder mehrere
externe Faktoren eingebunden.
 | Ein externer Faktor ist ein Produktionsfaktor, der vom Kunden in den Dienstleistungsproduktionsprozess eingebracht wird. Das kann eine Person, ein Tier, eine Sache oder auch ein immaterielles Gut (z.B. Rechte) sein. | | |
Dienstleister müssen die Integration des externen Faktors bei der Standortwahl berücksichtigen. Eine Produktion auf der grünen Wiese oder im Ausland kommt für einen Frisör nicht in Frage. Dienstleistungsunternehmen sind immer noch im Wesentlichen lokal festgelegt. [
DIW (Innovationen im Dienstleistungssektor, 1995), S. 519]
3. Immaterialität
Der wesentliche Anteil einer Leistung ist bei einer Dienstleistung in der Regel
immateriell.
Dies hat einige Folgen:
- Es ist vielfach unmöglich, das Dienstleistungsprodukt im voraus zu demonstrieren.
- Die Qualitätseigenschaften sind dem Kunden nur schwer zu vermitteln.
- Standardisierungen sind nicht immer realisierbar.
- Bei Dienstleistungsinnovationen mangelt es an rechtlichen Schutzmöglichkeiten (kein Patentschutz).
Die Immaterialität und die damit verbundene Informationsintensität geben der IuK-Technologie eine zentrale Rolle im Innovationsprozess der Dienstleistungsfirmen. Anderen Technologien wird weniger Bedeutung beigemessen (Quinn et al. 1990).
Weitere dienstleistungstypische Besonderheiten
Fehlende Lagerbarkeit
Aus der Notwendigkeit der Integration des externen Faktors und der Immaterialität der Dienstleistung folgt, dass die Dienstleistung in der Regel nicht lagerbar ist.
 | Ein am 1. 4. 2006 nicht benutztes Hotelzimmer kann später nie wieder für diesen Tag vermietet werden. Eine am 1. 4. 2006 nicht in Anspruch genommene Leistung einer Frisörin kann später nicht mehr in Anspruch genommen werden. | | |
 | Eine gewisse Form von Lagerung des externen Faktors kann jedoch in Form von Warteschlangen z.B. in einer Arztpraxis oder am Skilift erreicht werden. | | |
Zulieferinnovationen
{Evangelista und Savona (1998)} bemerken, dass die Gleichzeitigkeit von Leistungserstellung und Konsum der Dienstleistung dazu führt, dass die Trennung zwischen Produkt- und Prozessinnovation schwierig sei. {Miles (1995)} hat aus diesem Grund die Zulieferinnovation („delivery innovation“) als Ausweg eingeführt, die sich auf Innovationen im Rahmen der Zustellung bezieht und sowohl prozess- als auch produktbezogene Aspekte beinhaltet. Ein Beispiel hierfür sind Bankautomaten und sonstige Formen der Selbstbedienung.
Kein Patentschutz
Die neue Dienstleistung selbst ist i.d.R. keine
technische Erfindung, damit auch nicht patentierbar. Es kann also auch nicht, wie beim
Patent, ein zeitlich befristetes Monopol errichtet werden, um in dieser Zeit Innovationsrenten abzuschöpfen. Dieser Umstand reduziert in der Praxis vielfach die Anreize zur eigenen Innovationstätigkeit.
Die meisten Dienstleister fokussieren auf die Entwicklung einer Marke, mit der Leistungsmerkmale unmittelbar verknüpft sind. Damit ist zwar die Dienstleistung nicht direkt, aber dafür die Investition in die Kundenbeziehung geschützt. Damit werden gleichzeitig Nachteile der Immaterialität ausgeglichen.
Anders ist die Situation, wenn einer der Produktionsfaktoren eine technische Erfindung ist. Diese Erfindung kann patentiert werden und damit indirekt auch die Dienstleistung schützen.
Dezentrale Organisation der Innovationsprozesse
Während Maschinen i.d.R. von Ingenieuren der Forschungs- und Entwicklungsabteilung entwickelt werden, ist die Zuständigkeit für die Entwicklung von Dienstleistungen häufig unterschiedlich geregelt.
Setzt die Entwicklung einer Dienstleistung technische Apparaturen voraus, werden Ingenieure eingebunden.
Von großer Bedeutung sind bei der Entwicklung von Dienstleistungen Methoden der Markt- sowie kundennahen Absatz- und Marketingforschung. Dementsprechend konzentriert sich auch die Organisation des Innovationsprozesses nicht allein auf die aus den Industrieunternehmen bekannten Forschungs- und Entwicklungs(F&E)-Abteilungen, sondern ist über eine Reihe von Funktionseinheiten des Unternehmens verteilt {Hipp 1998, Preissl 1997}.
Traditionelle FuE-Statistiken weisen dementsprechend bei Dienstleistungsunternehmen eine extrem niedrige Forschungsintensität {DIW 1998, 523} aus.
Der menschliche Faktor bei Dienstleistungen
Es hat sich herausgestellt, dass Innovationstätigkeiten bei Dienstleistungsunternehmen Hand in Hand gehen mit Investitionen in Weiterbildung und Training (Licht et al. 1997). Davon ausgehend hat die allgemeine Bedeutung organisatorischer und nicht-technologischer Elemente im Innovationsprozess zu Überlegungen geführt, den Innovationsbegriff zu erweitern und von reinen technischen Neuerungen abzukoppeln {Hipp et al. 1996, Hauknes 1998}. Dabei werden vermehrt andere Wissensformen (z.B. Erfahrungswissen, Wissen im Umgang mit Kunden) zur Beschreibung der Leistungsfähigkeit einer Dienstleistungsfirma relevant.
Struktur des Dienstleistungssektors
Weitere Besonderheiten des Dienstleistungssektors ergeben sich daraus, dass er zum großen Teil aus kleinen Unternehmen besteht. Das {DIW (1998, 525)} vermutet, dass beispielsweise Innovationshemmnisse nicht mit der Sektorzugehörigkeit, sondern mit der Unternehmensgröße zusammenhängen. Schwierigkeiten bereiten aus diesem Grund alle empirischen Analysen, die sich ausschließlich auf Firmen mit mehr als 20 Beschäftigten konzentrieren. Da dadurch ein erheblicher Teil der relevanten Unternehmen nicht berücksichtigt wird, kann die Analyse verzerrte Ergebnisse liefern {Preissl 1997, 15}.
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Quelle:
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Kommentar
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Kauf
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![Artikel aus Periodika [1754]](../_symbol/artikel.gif) |
DIW (Innovationen im Dienstleistungssektor, 1995): Innovationen im Dienstleistungssektor, in: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Wochenbericht, Vol. 65 (1998), Nr. 29, S. 519-526. |
1754 |
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![Artikel aus Buch [1583]](../_symbol/ausbuch.gif) |
Bullinger, Hans-Jörg / Schreiner, Peter (Service Engineering, 2003): Service Engineering - Ein Rahmenkonzept für die systematische Entwicklung von Dienstleistungen, in: Bullinger/Scheer (Service Engineering, 2003), S. 51-82. |
1583 |
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![Artikel aus Buch [1582]](../_symbol/ausbuch.gif) |
Reichwald, Ralf / Schaller, Christian (Innovationsmanagement, 2003): Innovationsmanagement von Dienstleistungen - Herausforderungen und Erfolgsfaktoren in der Praxis, in: Bullinger/Scheer (Service Engineering, 2003), S. 171-198. |
1582 |
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